Adèle ist eine Frau, die alles hat, einen interessanten Beruf, ein Kind, einen Mann, eine schöne Wohnung im 18. Arrondissement. Den Job mag sie nicht, das Kind ist ihr zu viel, der Mann zu spießig und die Wohnung egal. Der Weg dorthin erschien logisch, angekommen ist sie nirgendwo, aber weg will sie auch nicht.
ist 37 Jahre alt, erfolgreiche, aber lustlose Journalistin, verheiratet mit einem Arzt, Mutter eines vierjährigen Sohnes. Die Familie lebt in einer großzügigen Wohnung in Paris im beliebten 18. Arrondissement.
Sie ist eine Süchtige, eine Frau, die fast alles aufgibt für ihre Sucht. Adèle ist Nymphomanin, weder Mann noch Kind hindern sie an der wahnhaften Jagd nach dem nächsten Höhepunkt, an einem ausgeklügelten Doppelleben. "All das zu verlieren" ist ein Buch über Sex, Perversion und das Gefühl, verloren zu sein.
Die Kollegen verachtet sie, ihren Mann hat sie nie geliebt, der Sohn macht sie nur ungeduldig. Alles um sie herum erscheint ihr banal, langweilig, ohne Sinn. Das einzige, was Adèle wirklich zu mögen und zu brauchen scheint, ist unverbindlicher Sex: Wann immer sie kann, flüchtet sie aus ihrem Leben, flüchtet in die Ekstase, den Rausch, greift nach einem Leben, das nur aus Höhepunkten besteht statt aus dem gemächlich vor sich hinplätschernden Auf und Ab der Normalität.
Ihr Mann ahnt nichts von ihren Abenteuern, nichts von dem weißen Telefon mit den Nummern nur der brutalsten Liebhaber. Doch die ganze Situation eskaliert, als ihr Mann wegen eines Verkehrsunfalls eine gute Woche im Krankenhaus liegt und die Großeltern in der Zeit den kleinen Sohn zu sich nehmen.
Wenig später kriegt ihr Ehemann alles raus und reagiert auf seine Weise radikal: Er verlässt sie nicht, aber er kündigt seinen Job in Paris, übernimmt einen auf dem Land, kauft ein Haus ohne Nachbarn in der Provinz, zwingt Adèle ihren Beruf aufzugeben und mit der Familie dorthin zu ziehen, wo er sie unter Kontrolle hat. Adèle fügt sich. Aber für wie lange?
Kind von Adèle und Richard
Das Kind bleibt Randfigur.
Die Gründe für Adèles Verhalten werden nur angedeutet, flackern hin und wieder auf, ohne ausformuliert zu werden. Da ist ihr starker Wunsch nach Beachtung, ihr latenter Selbsthass, ihre Angst vor dem Alter und jeder Art von Beengtheit. Vor allem aber scheint sie abgrundtief einsam zu sein, einsam als Frau, einsam als Mutter, einsam als Mensch. In dieser Zurückgeworfenheit auf sich selbst und ihrer gleichzeitigen Revolte gegen eine als absurd und sinnlos empfundene Welt, die sie durch permanente Ekstase erträglicher gestalten will, lassen sich existenzialistische Züge erkennen.
Damit erinnert sie übrigens an das Kindermädchen in „Dann schlaf auch du“, das seiner trostlosen Existenz schließlich ein Ende setzen will und sich, nach Ermordung seiner Schützlinge, selbst die Pulsadern aufschneidet. Camus hätte diesen Ausweg abgelehnt; schließlich beweist der Mensch ihm zufolge erst durch seine Akzeptanz einer sinnlosen Existenz seine Freiheit. Dafür scheinen Slimanis Protagonisten jedoch zu schwach, wiegt die empfundene Einsamkeit und Leere zu schwer. Es bleibt nur die ständige Revolte, die Sucht nach dem besonderen, dem ekstatischen Moment, die Slimani in einem so gelungenen, nüchternen Stil beschreibt, dass sie fast erträglich erscheint.
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